Forschung zu Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz

Im Laufe der Jahre hat es im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) eine Reihe grundlegender Paradigmenwechsel gegeben. Die erste Phase der Künstlichen Intelligenz basierte auf Ansätzen, die symbolisch ausgedrücktes menschliches Wissen für Inferenzen nutzten, zum Beispiel in regelbasierten Expertensystemen.

Im Gegensatz dazu sind die Erfolge der gegenwärtigen Ära Künstlicher Intelligenz zu einem großen Teil auf Systeme des Maschinellen Lernens (ML) zurückzuführen, die in der Lage sind, sehr große Datenmengen im Zusammenhang mit hochdimensionalen Modellen, wie z. B. Deep Neural Networks, zu nutzen.

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Wissen und Kontext

Heutige KI-Systeme ignorieren damit jedoch zwei wichtige Quellen der Intelligenz: Wissen und Kontext. Die Weitergabe von Wissen an lernende Systeme wird der Schlüssel zu KI-Systemen sein, die allgemeine Aufgaben lösen. Dieses Wissen kann sowohl aus erlernten Darstellungen, Teilmodellen, Simulationen oder Gesetzen der physikalischen Welt als auch aus explizitem, vom Menschen geliefertem Wissen bestehen.

Zusätzlich beruhen viele aktuelle KI-Algorithmen auf der Annahme einer abstrakten und in sich geschlossenen digitalen Computerarchitektur. In Wirklichkeit gibt es hier jedoch eine Fülle von Kontexten. Ein solcher Kontext kann aus dem Wissen über verfügbare Ressourcen und Hardware-Architektur, dem Zugang zur Umwelt mittels aktiver Wahrnehmung und Experimenten oder der Interaktion mit Menschen bestehen.

Triangular AI

Die strategische Ausrichtung der Forschung am Lamarr-Institut ist grundlegend von unserer Überzeugung geprägt, dass wir einen weiteren Paradigmenwechsel hin zu einer dritten Generation von KI-Systemen brauchen, die wir AI³ oder Triangular AI (Trianguläre KI) nennen.

Die drei Dimensionen von Triangular AI:
Daten, Wissen und Kontext

Die Lamarr-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verpflichten sich daher zu der zentralen Vision und Aufgabe, die AI³ – Triangular AI voranzubringen. Hierzu werden die drei Schlüsselelemente Daten, Wissen und Kontext sowie ihre Beziehungen zueinander untersucht und Algorithmen entwickelt, die diese nutzen können – mit dem langfristigen Ziel, diese Komponenten in einem KI-System von allgemeiner Intelligenz zu vereinen.

Zentrale Forschungsbereiche

Die fünf Bereiche, in die wir die Forschung am Lamarr-Institut gliedern, spiegeln unser Engagement für AI³ – Triangular AI wider. Diese Forschungsbereiche sind miteinander verknüpft und befassen sich mit der Frage, wie Daten, Wissen und Kontext integriert werden können, um KI-Lösungen zu entwickeln, die ressourceneffizient arbeiten und leistungsstarke aber dennoch robuste, erklärbare und vertrauenswürdige Ergebnisse liefern.

Hybrides Maschinelles Lernen

Hybrides Maschinelles Lernen bedeutet die Integration von Daten, Wissen und Kontext und bildet damit die Grundlage für einen Großteil der Forschung am Lamarr-Institut.

Die Integration von Daten, Wissen und Kontext in das Maschinelle Lernen ist ein vielversprechender Ansatz zur Entwicklung von ML-Lösungen, die effizienter, robuster, erklärbarer und vertrauenswürdiger sind. Außerdem ist davon auszugehen, dass hybride Systeme, die Wissensdarstellung mit statistischen Lerntechniken verbinden, weniger voreingenommen sind und weniger Trainingsdaten benötigen. Daher arbeiten die Forschenden am Lamarr-Institut derzeit an der Entwicklung solcher hybriden ML-Systeme, die die Lücke zwischen daten- und modellbasierten Ansätzen schließen.

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Ressourcenbewusstes Maschinelles Lernen

Ressourcenbewusstes Maschinelles Lernen zielt darauf ab, Technologien so anzupassen, dass sie Energie, Speicher und Rechenressourcen sparen.

Die Forscherinnen und Forscher des Lamarr-Instituts widmen sich der Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Lösungen für Maschinelles Lernen, die Energie und Rechenressourcen einsparen. Zu diesem Zweck untersuchen wir die Verbindung zwischen Hardware und Maschinellem Lernen. Unser Ziel ist es, Maschinelles Lernen auch auf Geräten mit begrenzter Rechenleistung und begrenzten Energie- und Speicherressourcen verfügbar zu machen.

Menschenzentrierte KI-Systeme

Menschenzentrierte KI-Systeme sind so konzipiert, dass sie mit Menschen interagieren und erklärbare und verständliche Ergebnisse liefern.

Am Lamarr-Institut entwickeln wir menschenzentrierte Ansätze, um die Kluft zwischen ML-Methoden und dem menschlichen Verstand zu überbrücken. Einerseits passen sich menschenzentrierte KI-Systeme an menschliche Ziele, Konzepte, Werte und Denkweisen an. Andererseits nutzen diese Systeme die Leistungsfähigkeit der menschlichen Wahrnehmung und Intelligenz. Visual Analytics spielen eine Schlüsselrolle bei der Kombination von menschlicher und maschineller Intelligenz. ML-Modelle werden also unter Einbeziehung des menschlichen Wissens entwickelt und nutzen dieses Wissen dann für die Erstellung von Erklärungen.

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Vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz

Vertrauenswürdige KI baut auf robusten, überprüfbaren Verfahren auf und bildet die Grundlage für die Zertifizierung von KI-Anwendungen.

Vertrauenswürdigkeit hat viele Facetten und betrifft, abgesehen von der Informatik, verschiedene Disziplinen, die von Psychologie und Philosophie bis hin zu Wirtschaft und Recht reichen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lamarr-Instituts, die sich mit vertrauenswürdigen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz befassen, sind daher Mitglieder eines interdisziplinären Teams. Für ihre Forschung betrachten sie den gesamten Ablauf der Entwicklung und Anwendung von KI: die Datenerfassung und -speicherung, den Zugriff auf Daten sowie deren Stichproben und Vorverarbeitung, die Modellauswahl und Modellierung, die Anpassungen sowie die Anwendung des Modells auf einen Prozess mit einem bestimmten Ergebnis und dessen Auswirkungen.

Embodied Artificial Intelligence

Embodied Artificial Intelligence (im Deutschen auch als „verkörperte Künstliche Intelligenz“ bezeichnet) bezieht sich auf KI, die in physische Systeme, wie z. B. Roboter, eingebettet ist und die mit der Umgebung interagieren kann.

Im Gegensatz zur klassischen ML in der Robotik umfasst die Embodied AI alle Aspekte der Interaktion und des Lernens in einer Umgebung: von der Wahrnehmung über das Verstehen, Argumentieren und Planen bis hin zur Ausführung bzw. Manipulation. So wie das menschliche Lernen auf der Erkundung und Interaktion mit der Umwelt beruht, müssen verkörperte Agenten ihr Verhalten durch Erfahrung verbessern. Die Embodied AI vereint somit mehrere Bereiche wie Computer Vision, Umgebungsmodellierung und -vorhersage, Planung und Kontrolle, Reinforcement Learning („bestärkendes Lernen“), physikbasierte Simulation und Robotik.

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Fraunhofer IML

Anwendungsfelder und interdisziplinäre Forschungsbereiche

Während die Grundlagenforschung den Kern des Lamarr-Instituts bildet und im Fokus steht, glauben wir, dass das volle Potenzial des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz in der Wissenschaft nur durch aktive Auseinandersetzung und interdisziplinäre Forschungsarbeit ausgeschöpft werden kann, die andere Disziplinen nicht als reine Anwendungsbereiche, sondern als Gegenstand eigenständiger Forschungsfragen betrachtet.

Gemeinsam mit unseren Lamarr-Kolleginnen und -Kollegen aus anderen Disziplinen haben wir fünf Anwendungsfelder und interdisziplinäre Forschungsbereiche identifiziert, in denen wir die Anwendbarkeit des Maschinellen Lernens bereits demonstriert haben. Sie werden in unserer zukünftigen Forschung eine Schlüsselrolle spielen:

  • Planung und Logistik:
    KI-Lösungen helfen, Transport- und Mobilitätsprozesse zu optimieren und Ressourcen zu sparen.
  • Physik:
    Mithilfe von ML-Methoden werden große Datenmengen analysiert und ausgewertet, wodurch neue Einblicke in die physikalische Welt gewonnen werden.
  • Industrie und Produktion:
    KI ermöglicht die Nutzung von Maschinenmodellen und Produktionsdaten zur intelligenten Steuerung und Effizienzsteigerung.
  • Lebenswissenschaften:
    Die KI revolutioniert die Medizin, beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten und hilft bei der Erforschung biologischer Systeme.
  • Verarbeitung natürlicher Sprache:
    Das Verständnis der gesprochenen und geschriebenen Sprache ist die Grundlage für viele KI-Anwendungen, die unseren Alltag erleichtern.

© Anke Liepertz-Peter –
Fraunhofer IAIS

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