Forschende des Lamarr-Instituts und des Bonn-Aachen International Center for Information Technology (b-it) der Universität Bonn haben einen bedeutenden Durchbruch erzielt, indem sie ein KI-basiertes Modell entwickelt haben, das potenzielle Wirkstoffe mit einzigartigen therapeutischen Eigenschaften vorhersagen kann. Mithilfe eines fortschrittlichen chemischen Sprachmodells – im Grunde ein „ChatGPT für Moleküle“ – trainierte das Team die KI, präzise chemische Strukturformeln zu erzeugen, die besonders wirksame Medikamente ermöglichen könnten. Die von Prof. Dr. Jürgen Bajorath, Lamarr Area Chair Life Sciences sowie Professor und Lehrstuhlinhaber für Life Science Informatics am b-it/Universität Bonn geleitete Studie wurde in Cell Reports Physical Science veröffentlicht.
Herausforderungen der Polypharmakologie mit KI meistern
Prof. Dr. Jürgen Bajorath, der das interdisziplinäre Forschungsgebiet Life Sciences am Lamarr-Institut leitet, betonte die Bedeutung dieses Modells für die pharmazeutische Forschung. „Im Bereich der Arzneimittelentwicklung sind dual wirksame Medikamente aufgrund ihrer polypharmakologischen Effekte besonders begehrt. Diese Verbindungen können gleichzeitig mehrere zelluläre Prozesse und Signalwege beeinflussen, was sie gegen komplexe Krankheiten wie Krebs besonders effektiv macht“, erklärte Bajorath. Die Entwicklung solcher anspruchsvollen Moleküle bleibt jedoch eine große Herausforderung.
Das KI-Modell, das mit über 70.000 Molekülpaaren trainiert wurde, wurde darauf ausgelegt, Verbindungen zu erzeugen, die an zwei verschiedene Zielproteine binden können. Dual-Target-Inhibitoren bieten im Vergleich zur Kombination einzelner Wirkstoffe ein synchroneres pharmakokinetisches Profil und minimieren das Risiko von Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten.
Innovativer KI-Ansatz in der Arzneimittelforschung am Lamarr
Das KI-Modell basiert auf dem Konzept der Triangulären KI des Lamarr-Instituts, das heterogene Daten aus den Lebenswissenschaften, verschiedene wissenschaftliche Kontexte und interdisziplinäres Wissen integriert, um maßgeschneiderte prädiktive Modelle zu schaffen. Nach der initialen Trainingsphase wurde das Modell weiter optimiert, um sich auf verschiedene Enzym- und Rezeptorklassen zu spezialisieren, was zu einer präzisen Erzeugung dualer Inhibitoren führte.
Prof. Bajorath erklärt: „Es generiert gewissermaßen ‚out-of-the-box‘-Ideen und kommt so auf originelle Lösungen, die die Pharma-Forschung zu neuen Ansätzen inspirieren können.“ Dadurch eröffnet das Modell kreative Möglichkeiten in der Arzneimittelforschung und erweitert die Perspektiven für neue Designhypothesen und Ansätze.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit realen Auswirkungen
Diese Studie zeigt, wie der Life Sciences-Bereich des Lamarr-Instituts auf Zusammenarbeit und erklärbare KI (XAI) setzt. Das Projekt verbindet maschinelles Lernen mit zentralen Bereichen der medizinischen Forschung und Arzneimittelentwicklung. Durch die Kooperation mit der Universität Bonn und dem b-it demonstriert die Forschung die interdisziplinäre Stärke des Instituts und unterstützt dessen Mission, Europa als führenden Standort für KI-Innovationen zu etablieren.
Publikation
Sanjana Srinivasan und Jürgen Bajorath: Generation of Dual-Target Compounds Using a Transformer Chemical Language Model; Cell Reports Physical Science; DOI: 10.1016/j.xcrp.2024.102255