Die Astroteilchenphysik hat einen wegweisenden Fortschritt erlebt – dank der Implementierung modernster Methoden des Maschinellen Lernens (ML). Der Kern dieser neuen Entdeckung liegt darin, die Geheimnisse der Neutrinos zu enträtseln und ihr immenses Potenzial zu nutzen, um das Universum besser zu verstehen. Während bislang nur Neutrinos aus fernen Galaxien nachgewiesen wurden, konnten die Vorhersagen ähnlicher Teilchenstrahlung für unsere Milchstraße nun erstmals mithilfe moderner maschineller Lernverfahren bestätigt werden. Die ML-Methode, die dafür verwendet wurde, wurde maßgeblich von Lamarr-Forschenden entwickelt. Sie gestattet den ersten Neutrino-Blick der Menschheit auf unsere eigene Heimatgalaxie.
Neutrinos haben im Gegensatz zu Lichtstrahlen die einzigartige Fähigkeit, mühelos Materie zu durchdringen, da sie nahezu masselos sind. Sie werden daher nicht abgelenkt und erlauben Rückschluss auf ihren kosmischen Ursprung in den Weiten des Alls, sofern ihre Bahn und Energie präzise bestimmt werden können.
Der IceCube-Detektor – ein ehrgeiziges Projekt, das 2010 nach nur sechs Jahren Bauzeit am Südpol in Betrieb genommen wurde – spielt eine entscheidende Rolle bei der Erforschung der Neutrinos. Ausgestattet mit Digitalen Optischen Modulen (DOMs) dient das Experiment dazu, die schwer fassbaren Teilchen zu erfassen. Die Detektion von Neutrinos ist jedoch keine einfache Aufgabe. Unter einem beeindruckenden Ansturm von 2700 Myonen pro Sekunde erscheint im Mittel nur ein astrophysikalisches Neutrino pro Tag. Das überwältigende Hintergrundrauschen erschwert die Angelegenheit weiter, da Neutrinos aus den fernen Bereichen des Universums diejenigen aus unserer eigenen Milchstraße überschatten.
Hier kommt der Einsatz von Maschinellem Lernen ins Spiel, welcher neue Möglichkeiten zur Entschlüsselung dieses kosmischen Rätsels eröffnet hat. Mirco Hünnefeld, eine führende Persönlichkeit in diesem Vorhaben, setzte eine Reihe von Convolutional Neural Networks (CNNs), gestärkt durch Decision Trees, für die Neutrino-Auswahl ein. Dieser bahnbrechende Ansatz führte zu einer bemerkenswerten Steigerung: 30-mal mehr Neutrinos wurden im Vergleich zu früheren Studien entdeckt. Diese datengesteuerte Suche nach Neutrinos wurde durch zufällige Experimente an umfangreichen Datensätzen verifiziert. Die Resultate der zugrundeliegenden Studie wurden im Science Magazin (30. Juni 2023) veröffentlicht (Paywall).
Die erfolgreiche Anwendung von Maschinellem Lernen hat zu einer erheblichen Verbesserung der Neutrino-Rekonstruktion geführt, die etwa 75 Jahre herkömmlicher Detektionszeit einspart. Die verwendete Methode wurde maßgeblich von Lamarr-PI Prof. Dr. Dr. Wolfgang Rhode und seiner Astroteilchenphysik-Gruppe an der Technischen Universität Dortmund in Zusammenarbeit mit Lamarr-Gründungsdirektorin Prof. Dr. Katharina Morik und ihrer KI-Gruppe am Sonderforschungsbereich 876 weiterentwickelt.
Die Zukunft für die Synergien von Maschinellem Lernen und Astroteilchenphysik sieht äußerst vielversprechend aus. Die Zusammenarbeit hat bereits zu einem Open-Access-Buch geführt, das in Bildungseinrichtungen verwendet werden kann und das Wissen in diesem aufstrebenden Bereich weiter verbreitet:
Mit dem interdisziplinären Forschungsfeld der Astrophysik unter der Leitung von Wolfgang Rhode nimmt das Lamarr-Institut eine Vorreiterrolle in der Partnerschaft zwischen KI und Astroteilchenphysik ein und treibt innovative Forschung in diesem Bereich voran. Diese Verschmelzung von Disziplinen markiert ein bedeutendes Kapitel in der Erforschung unseres Kosmos, bei dem Maschinelles Lernen und Astroteilchenphysik Hand in Hand gehen, um die Geheimnisse der Neutrinos zu entschlüsseln.
Die Verkündung der Ergebnisse vom 29.Juni 23 unter Beteiligung von Wolfgang Rhode und Mirco Hünnefeld kann hier in voller Länge angesehen werden (Aufzeichnung):