Wie wird KI Schulen und Bildungseinrichtungen verändern?

00 Blog CAIS KI in der Bildung - Lamarr Institute for Machine Learning (ML) and Artificial Intelligence (AI)

In diesem Beitrag blickt die Forschungsgruppe „Bildungstechnologien und Künstliche Intelligenz“ am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) aus einer pädagogisch-psychologischen Perspektive auf Lehr- und Lernprozesse und beleuchtet die mögliche Rolle, die intelligente Bildungstechnologien dabei einnehmen können.
Denn wenngleich intelligente Bildungstechnologien im deutschen Bildungssystem bisher kaum verbreitet sind, ist es nötig, ihre Möglichkeiten, Grenzen sowie Rahmenbedingungen schon jetzt näher zu beleuchten. Insgesamt gelten intelligente Bildungstechnologien als zukunftsrelevant, wie etwa Holmes et al. in ihrer Expertise der Robert-Bosch-Stiftung darstellen. Zudem diskutieren die Kultusministerkonferenz sowie die UNESCO den Einsatz intelligenter  Bildungstechnologien bereits seit einigen Jahren.

Eine Vision: Lehren und Lernen mithilfe von intelligenten Bildungstechnologien 

Aufgrund der Komplexität pädagogischen Handelns ist es sinnvoll, die Stärken intelligenter Bildungstechnologien zu nutzen, um Lehrkräfte in ihrer Arbeit zu stärken und zu unterstützen. Das Ersetzen von Lehrkräften durch derartige Technologien ist hingegen weder möglich noch erstrebenswert. Daher sprechen wir in Anlehnung an Michael I. Jordan von Intelligence Augmentation (IA), anstatt von Artificial Intelligence (AI).

Die Lehrkräfte nehmen eine zentrale Rolle bei der Organisation der Lehr-Lern-Prozesse ein. Sie konzipieren Sitzungen und Unterrichtsreihen, organisieren und beobachten die individuellen Lernaktivitäten sowie die Entwicklung der Lernenden, steuern Übergänge zwischen Einzel- und Gruppenarbeit und unterstützen die Lernenden stetig in ihren Lernprozessen. Hierzu greifen Lehrkräfte sowohl auf ihr Fachwissen zurück, als auch auf praktisches Kontextwissen. Intelligente Bildungstechnologien können die Tätigkeiten der Lehrkraft durch ihr Potential unterstützen, große Datenmengen schnell verarbeiten und relevante Muster erkennen zu können. Die Technologien sind „intelligent“, indem sie digitale Daten, die Lernende während der Nutzung von Lernplattformen (zum Beispiel Moodle) oder Lernsoftware (zum Beispiel ANTON) generieren, automatisch verarbeiten können. Diese Analysen sind zudem skalierbar, das heißt, es können die Daten vieler Lernender zeitgleich verarbeitet werden. Aufbauend auf der automatischen Analyse digitaler Daten aus den Lernprozessen können dann intelligente Bildungstechnologien die Lehr- und Lernprozesse adaptiv unterstützen (Chen, Chen, & Lin, 2020).

Eine adaptive Unterstützung der Lernenden durch eine Lernsoftware findet dabei vor allem auf einer fein granularen Ebene statt, etwa durch die Auswahl angemessener Lernaufgaben innerhalb einer Lerneinheit oder durch das Geben von Hinweisen zu Lösungsprozeduren oder Lernstrategien. Auf diese Weise ergibt sich für die Lernenden eine Individualisierung beziehungsweise Personalisierung des Lernens, da Materialien oder zusätzliche Hinweise besser auf den aktuellen Wissensstand abgestimmt werden. Auch können den Lernenden Fortschritte widergespiegelt werden, was die Überwachung der eigenen Lernprozesse erleichtert. So können sie ihr Lernen als einen steuerbaren Prozess verstehen und sich, wenn nötig, zusätzliche Unterstützung einholen.

In Form  von sogenannten Teacher Dashboards (siehe van Leeuwen & Rummel für einen Überblick) können intelligente Bildungstechnologien die Lehrkräfte zudem bei komplexeren pädagogischen Entscheidungen informieren. Ein Teacher Dashboard ermöglicht eine Übersicht über alle Lernenden (auch die Lernenden, die sich nur wenig mündlich beteiligen) und versorgt die Lehrkraft mit zusätzlichen Informationen zum aktuellen Stand der individuellen Lernniveaus. Mithilfe dieser Informationen können relevante Hilfestellungen gegeben, zusätzliche Übungsgelegenheiten eingeplant oder die nächste Lerneinheit angepasst werden. Denkbar ist zudem, dass die Technologie auf Lernende oder Lerngruppen aufmerksam macht, die zusätzliche Hilfe benötigen. Auch könnte die Bildungstechnologie verschiedene Zusammensetzungen für Gruppenarbeitsphasen vorschlagen, die vor dem Hintergrund des aktuellen Wissensstands der Lernenden besonders produktiv wären.

Chancen und Herausforderungen intelligenter Bildungstechnologien

Unseres Erachtens liegt das größte Innovationspotential intelligenter Bildungstechnologien darin, sich die Stärken dieser Technologien mit Blick auf die automatische Verarbeitung großer Mengen von Daten aus dem Lernprozess zur Unterstützung des pädagogischen Handelns der Lehrkräfte zunutze zu machen. Zentrales Resultat hiervon ist die Möglichkeit, eine noch stärkere Binnendifferenzierung beziehungsweise Personalisierung des Lernens zu erreichen, was der Vision der OECD für das Lernen im 21. Jahrhundert entspricht.

Diesem Potential intelligenter Bildungstechnologien stehen Herausforderungen, wie die Beachtung des Datenschutzes, die Achtung der Privatsphäre und die Minimierung algorithmischer Verzerrungen (biases) als wichtige Voraussetzungen entgegen. Zudem ist es unverzichtbar, die notwendigen technischen Infrastrukturen zu schaffen, Lernziele und Lehrmethoden neu zu denken und empirisch zu prüfen, die Implementation von neuen Bildungstechnologien zu begleiten und für deren Verstetigung zu sorgen sowie Lehrkräfte entsprechend aus- und weiterzubilden. Hierbei wäre es wünschenswert, alle relevanten Beteiligten zu involvieren, so dass sich neben politischen Akteurinnen und Akteuren und Technologieanbietern auch Bildungseinrichtungen, Lehrkräfte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Diskurs einbringen. Dies stellt eine menschenzentrierte Gestaltung von Bildungstechnologien sicher, die pädagogisch angemessen und dazu geeignet ist, den Lernenden ein selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen.

Forschungsgruppe „Bildungstechnologien und Künstliche Intelligenz“ am Center for Advanced Internet Studies (CAIS)

Center of Advanced Internet Studies (CAIS)

Das Forschungsprogramm „Bildungstechnologien und Künstliche Intelligenz“ am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) nahm seine Arbeit im Juni 2022 auf. Nikol Rummel, Professorin für Pädagogische Psychologie und Bildungstechnologie an der Ruhr-Universität Bochum, leitet das Programm für die nächsten fünf Jahre. Für ihre Zeit am CAIS wird sie von der Ruhr-Universität freigestellt. Das Team untersucht unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung im Bildungsbereich. Die Forschungsschwerpunkte liegen dabei zum einen auf der Frage, wie […]

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